Älteste Pestnachweise in Mitteleuropa aus Sachsen und Böhmen
Durch die Analyse alten Erbgutes (DNA) an Skeletten wird unter anderem seit einiger Zeit dem Auftreten der Pest in Europa nachgegangen.
Eine erst kürzlich erschienene internationale Studie [1], in der 17 neue prähistorische Pestfälle (Yersinia pestis) von der Mongolei, Kasachstan und Russland bis nach Spanien vorgelegt werden, enthält auch die bisher ältesten Nachweise für diese tödliche Krankheit in Mitteleuropa. Einer davon stammt neben einem etwa zeitgleichen Befund aus Tschechien aus Sachsen. Es handelt sich um einen etwa 35–45 Jahr alten Mann, der südlich von Leipzig bei Großstorkwitz, Lkr. Leipzig, in einem Einzelgrab in sogenannter Hockerhaltung auf der rechten Körperseite bzw. dem Oberkörper in Rückenlage in West-Ost-Ausrichtung bestattet wurde. Als einzige Beigabe wurde eine Silexklinge oberhalb der Füße festgestellt. Gemäß einer Radiokohlenstoffdatierung muss der Tote zwischen 2850 und 2574 v. Chr. (2sigma) bestattet worden sein und gehört damit zum größtenteils keramiklosen Beginn der Schnurkeramik, die in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausend v. Chr. in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas verbreitet war. Auch bei dem Pestfall aus Vliněves, nördlich von Prag in Tschechien handelt es sich um einen 40–60 Jahre alten Mann, der als rechtsseitiger Hocker etwa zwischen 2885 und 2663 v. Chr. bestattet und mit Silexklingen ausgestattet wurde. Beide Fälle reihen sich zeitlich wie auch phylogeographisch überraschend gut in eine Anzahl weiterer ähnlich alter Pestfälle ein, welche aus Südosteuropa [2], aus der nordkaukasischen Steppe, aus Südsibirien und vom Baikalsee bekannt sind. Dies deutet darauf hin, dass der Pesterreger im 3. Jahrtausend v. Chr. weit verbreitet war und daher auch im Zusammenhang mit mobilen Gesellschaften steht. Allerdings ist der Ursprungsort des Erregers noch unbekannt. Die bislang ältesten Pestnachweise stammen vom Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. aus Skandinavien [3] und dem Baltikum [4]
Das genetische Profil des Verstorbenen von Großstorkwitz deckt sich mit dem anderer Individuen, die der Schnurkeramik zugeordnet werden. Diese genetische Signatur hat sich aus dem eurasischen Waldsteppenraum nach Mitteleuropa ausgebreitet, in einer Zeit, die durch eine hohe personelle Mobilität und das Aufkommen neuer Ideen und Traditionen geprägt war.
Matthias Conrad/Wolfgang Haak/Sandra Penske/Harald Stäuble