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14.03.2022
Kategoriebezeichnung: News

Kellermikwe in der Chemnitzer Innenstadt entdeckt

Rituelles jüdisches Tauchbad soll am Ort erhalten bleiben

Seit Herbst 2021 untersucht das Landesamt für Archäologie Sachsen am Rand der Chemnitzer Innenstadt die Fläche zwischen der Augustusburger Straße und der Theresenstraße. Zwischen den Fundamenten eines Kellers entdeckte man dort im Februar 2022 die Überreste einer Mikwe, eines rituellen jüdischen Tauchbades.

Zunächst wurde eine rundgemauerte Struktur, ähnlich einem Brunnen entdeckt. Schritt für Schritt legte man dann unmittelbar daneben ein rechteckiges, noch immer mit Grundwasser gefülltes Becken frei, das über einen schrägen Abgang mit zwei Treppenstufen zu erreichen war. Die benachbart liegende Struktur diente vermutlich dazu, Wasser des in der Nähe fließenden Gablenz-Baches und Grundwasser aufzunehmen und den Wasserstand im Tauchbecken zu regulieren.  

‚Mikwe‘ bedeutet übersetzt ‚die Sammlung von Wasser‘. Bis heute sind sie in jüdischen Gemeinden wichtige Einrichtungen. Männer und Frauen vollziehen das Tauchbad nach einem vorgegebenen Ablauf, um sich nach bestimmten Ereignissen und vor Feiertagen rituell zu reinigen. Reinheitsgebote werden in den fünf Büchern der Thora u.a. im Buch Levitikus 15 (3. Buch Mose) dargelegt: „Gesetz über die Unreinheit bei Männern und Frauen“. Aber nicht nur Menschen mussten sich reinigen. Auch Geschirr und Gefäße aus nicht jüdischen Händen mussten zunächst vor der Benutzung im Tauchbad gereinigt werden.

Für Bau und Nutzung dieser traditionellen Tauchbäder, die in Jerusalem bereits seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. belegt sind, gibt es einige Vorschriften, die zu beachten sind: so muss das Wasser einer Mikwe ‚lebendig‘ sein, also fließen, wie z. B. Grund-, Quell- und Flusswasser, aber auch Regenwasser. Es darf keinesfalls geschöpftes oder herbeigetra-genes Wasser sein. Außerdem muss das Tauchbecken so tief sein, dass der Körper mit gebeugten Knien komplett mit Wasser bedeckt ist. Die eigentliche Reinigung wird durch das dreimalige Untertauchen, verbunden mit dem Sprechen eines bestimmten Segensspruches vollzogen.

Die Datierung der Chemnitzer Mikwe wird zurzeit noch erforscht. Sie selbst liefert kaum Anhaltspunkte für ihr Alter, aber sie wird von anderen Mauern überlagert und ist somit älter als diese. Sicher ist, dass sie bereits vor langer Zeit verfüllt wurde. In den Verfüllschichten fanden sich einige, teils stark korrodierte Münzen, die vor der Bestimmung durch Numismatiker noch restauriert werden müssen. Nach ihrer Auswertung besteht Hoffnung auf einen zeitlichen Rahmen.

Die Chemnitzer Mikwe ist eines der wenigen älteren baulichen Zeugnisse der jüdischen Kultur in Sachsen und hat daher eine besondere, über die Stadt hinausgehende Bedeutung. Nur für eine weitere, im Bestand erhaltene sächsische Anlage wird eine Deutung als Mikwe in Erwägung gezogen: In einem mittelalterlichen Keller in Görlitz gibt es ein quellwassergespeistes Bassin mit einer Rinne.

Das Areal, in dem die Chemnitzer Mikwe liegt, wird mit einem modernen Wohn- und Ge-schäftshaus überbaut. Zurzeit erfolgen enge, konstruktive Absprachen mit dem Investor, um Möglichkeiten für den Erhalt des Denkmals an seinem Platz zu prüfen. Die Mikwe mit dem benachbarten Wassersammler wurden zwischenzeitlich mit Erdmörtel komplett aufgefüllt, um sie vor dem Einsturz zu bewahren.

Die Mikwe und der Wassersammler sind vollständig aus Ziegeln errichtet und befand sich im Keller eines Wohnhauses. Die beiden brunnenförmigen Strukturen am linken Bildrand sind modernen Ursprungs.
Die Mikwe und der Wassersammler sind vollständig aus Ziegeln errichtet und befand sich im Keller eines Wohnhauses. Die beiden brunnenförmigen Strukturen am linken Bildrand sind modernen Ursprungs. Bild: © Landesamt für Archäologie Sachsen, C. Heiermann
Die Mikwe und der Wassersammler sind vollständig aus Ziegeln errichtet und befand sich im Keller eines Wohnhauses. Die beiden brunnenförmigen Strukturen am linken Bildrand sind modernen Ursprungs. Bild: © Landesamt für Archäologie Sachsen, C. Heiermann
Mittlerweile wurde der gesamte Befund mit Erdmörtel verfüllt, um ihn vor dem Einsturz durch Bodenerschütterungen zu bewahren.
Mittlerweile wurde der gesamte Befund mit Erdmörtel verfüllt, um ihn vor dem Einsturz durch Bodenerschütterungen zu bewahren. Bild: © Landesamt für Archäologie Sachsen, C. Rupp
Mittlerweile wurde der gesamte Befund mit Erdmörtel verfüllt, um ihn vor dem Einsturz durch Bodenerschütterungen zu bewahren. Bild: © Landesamt für Archäologie Sachsen, C. Rupp

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