Archäologisches Jahr in Bayern 2023: Kornkammern zu Schatzkammern – oder: Wo der Hund begraben liegt
Das archäologische Jahr in Bayern 2023
Das Jahrbuch 2023 berichtet mit 60 Beiträgen über aktuelle Ausgrabungen und Funde, denkmalpflegerische Maßnahmen und Messungen in Bayern. Einige wenige seien stellvertretend kurz vorgestellt:
Einem rätselhaften Phänomen im Bodensee gingen die Taucher der GfA nach: Nachdem man auf Schweizer Seite auf dem Seegrund unerklärliche flache Steinhügel festgestellt hatte, entdeckte man auch auf bayerischer Seite 25 solche Gebilde, die sich ungefähr 200 m vor dem Ufer aufreihen. Sechs davon wurden näher untersucht. Während ihre Funktion vorerst unklar bleibt, verdichten sich Hinweise auf neolithische Zeitstellung. Denn unter den Steinschüttungen wurde meist eine dünne Lage Holz angetroffen, aus der sich 14C-Daten gewinnen ließen. Diese weisen ins 4. Jahrtausend v. Chr. Thesen zu Sinn und Zweck der Anlagen werden noch diskutiert – ein Zusammenhang mit dem Fischfang wird für möglich gehalten.
Aus der Jungsteinzeit kennen die Archäologen viele Siedlungen - Häuser, Erdwerke -, aber im Verhältnis dazu sehr wenige Gräber. Noch dazu erscheinen die Bestattungen oft wie beiläufig, unvollständig oder irregulär in Gruben oder Gräben, und nur selten liegen die Toten in offenbar eigens ausgehobenen Grabgruben. Als „außergewöhnlich regulär“ ist daher ein Grabfund in Großmehring zu bezeichnen. Es handelt sich um eine jugendliche Person aus dem Münchshöfener Kulturkreis, die in hockender Position beerdigt wurde und einige Beigaben mit ins Grab erhalten hatte: eine Fußschale und drei Tassen, eine davon mit weiß inkrustiertem Rauten-Gittermuster, dazu drei unter die Schale gelegte Silexklingen. Der Grabfund ragt heraus durch die außergewöhnliche Sorgfalt, die dem Verstorbenen zuteil wurde und wofür es in diesem kulturellen Umfeld nur wenige Beispiele gibt.
Bei den Glockenbecherleuten am Ende der Jungsteinzeit hatte sich hingegen eine feste Bestattungsweise etabliert und es gab schon kleine Gräberfelder. In Otzing lagen 13 Gräber nahe beisammen. Darin befanden sich mit dem Kopf im Norden zehn Männer, mit Kopf im Süden drei Frauen. Die Männer sind in diesem kulturellen Kontext durch ihre Grabbeigaben oft als Bogenschützen charakterisiert. Diese Schlussfolgerung zieht man aus der Beigabe von Pfeilspitzen aus Silex und steinernen Armschutzplatten zum Schutz vor der zurückschnellenden Bogensehne. Da der Bogen selber aus organischen Materialien bestand, ist dieser seltenst konkret nachweisbar. In Otzing scheint aber in Grab 270 in einem 1,15 m langen, gebogenen Holzpartikelband der vergängliche Rest des Bogens überliefert zu sein.
Von Tonstempeln, Toten und Trensenknebeln aus der Urnenfelderzeit handelt der Bericht zu einer Grabung in Tauberrettersheim. Hier im Taubertal hatte das Neubaugebiet einen Vorgänger des 10./9. Jahrhunderts v. Chr. mit mehreren Siedlungsgruben und einschlägigen Funden wie etwa einem runden Tonstempel. In einer der Gruben fand sich das Skelett eines Kindes und der Schädel eines Erwachsenen. Unter den Fundstücken sind aus einer anderen Grube ein Paar beinerne Trensenknebel hervorzuheben. Die beiden formgleichen Stücke mit je drei Durchbohrungen sind 11,5 cm lang und mit umlaufenden Rillenbündeln verziert. Möglicherweise wurden sie vor Ort aus Geweih hergestellt.
In Etzelwang-Penzenhof musste eine hallstattzeitliche Nekropole einer Neubausiedlung weichen. Betroffen waren neben 13 Urnenbestattungen auch zehn Grabhügel. Die aufwendige Hügelgrabarchitektur verlangte entsprechend auch eine aufwendige, sorgfältige Ausgrabung der steinernen Hügel mit zentraler Grabkammer und reichen Geschirrsätzen. Hügel 201 als größter hatte etwa 12 m Durchmesser und außen herum zusätzlich eine kranzförmige Steinsetzung. In der rechteckigen Grabkammer fanden sich Leichenbrandreste mit Tongeschirr, Bronzen und ein Miniaturrad mit vier Speichen. Auch wenn die Grabungsfirma die Hügel vorbildlich dokumentiert hat, sind diese nun beseitigt, was denkmalpflegerisch einen großen Verlust darstellt.
Ein ganz außerordentlicher Fund ist aus dem niederbayerischen Irlbach zu vermelden. Dort konnte die Kreisarchäologie Straubing-Bogen ein frühlatènezeitliches Fürstengrab sichern und damit eine Premiere feiern. Denn zum ersten Mal wurde in Bayern eine in der Art der Situlenkunst figuralverzierte Ciste gefunden, begleitet von weiteren Bronzegefäßen oberitalischer Herkunft: zwei etruskischen Bronzebecken und einer Schnabelkanne. Eine verzierte Flasche aus Keramik mit aufgetragener Zinnschlämme, u. a. mit Tierdarstellung, ist ebenfalls eine Besonderheit. Der Verstorbene muss ausweislich seiner feudalen Ausstattung der obersten sozialen Schicht seiner Zeit angehört haben.
Die nächste spektakuläre Entdeckung geschah bei einer Bodenradarmessung auf der Fraueninsel im Chiemsee. Um den Standort der 1803 abgebrochenen St.-Martinskirche genau lokalisieren zu können, machten die Geophysiker des BLfD eine Messung auf einer Freifläche, wo die mittelalterliche Saalkirche vermutet wurde. Deren Auffindung gelang – aber nicht nur das. Als das Radargerät auf 80–100 cm Tiefe eingestellt war, erschien im Messbild unter der Saalkirche ein kleeblattförmiger Zentralbau. Dieser Typ romanischer Sakralarchitektur wird auf die Pfalzkapelle in Aachen und diese wiederum auf die Jerusalemer Grabeskirche zurückgeführt. Beispiele sind nördlich der Alpen selten und in der auf Frauenchiemsee gemessenen Dimension von 19 m Ausdehnung bemerkenswert groß.
Einen Sprung in den Dreißigjährigen Krieg macht der Beitrag zu Wallensteins Lager in Unterweihersbuch. Dort lagerte das kaiserliche Heer unter Wallenstein im Jahr 1632 mehrere Monate lang westlich der Rednitz vor Nürnberg. Diverse Funde aus dem Lagerbereich lassen sich gut dem Soldatendasein zuordnen. Butzenglasscheiben lassen vermuten, dass deren Bleirahmen zum Gießen von Musketenkugeln herausgeschmolzen wurden. Ein Glücksfall sind auch zahlreiche botanische Großreste, die über die Ernährung der Soldaten Auskunft geben. Eher unerwartet stieß man außerdem auf das Grab einer etwa 18–25 Jahre alten Frau, die eine Gürtelkette aus Zinn trug – möglicherweise war sie die Ehefrau eines Offiziers.
Die archäologischen Funde reichen bis in die jüngste Vergangenheit: Im Münchner Maximilianeum, dem Sitz des bayerischen Landtags, wurde bei Umbauarbeiten im Boden ein Waffenversteck aufgefunden. Der herbeigeeilte Mitarbeiter des BLfD leistete sozusagen Nachbarschaftshilfe und barg die ca. 40 Gewehre und Munition. Zeitungsfetzen in einer Munitionstasche stammten vom 6. April 1933. Dadurch konnte ein Zusammenhang mit der Bayernwacht hergestellt werden, die aber nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 9. März 1933 nichts mehr auszurichten vermochte und sich am 13. April 1933 auflöste.
Und wo lag schließlich der Hund begraben? In Uffenheim wurde er aufgefunden in einer eisenzeitlichen Siedlung. Dort gab es zahlreiche typische Kegelstumpfgruben, in denen man ursprünglich Getreidevorräte gelagert hatte. Diese Kornkammern wurden später anderweitig mit Abfällen verfüllt, was sie für die archäologische Forschung zu fundreichen „Schatzkammern“ werden lässt. Auch ein hallstattzeitlicher Hund fand ein einer solchen Grube sein Ende.
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Das archäologische Jahr in Bayern 2023
Regensburg 2024, Verlag Schnell & Steiner
ISBN 978-3-7954-3938-5
200 Seiten, 296 meist farbige Abbildungen
€ 35,00, erhältlich im Buchhandel