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10.05.2024
Kategoriebezeichnung: News

Über 1.000 Jahre Technikgeschichte erlebbar - Archäologie, Verhüttungsöfen und eine "Sau" zum Anfassen

Die Stadt Siegen, das Deutschen Bergbau-Museum Bochum (Leibniz Forschungsmuseum für Georessourcen) sowie der Trägerverein "Ein Siegerländer Tal e.V." haben gemeinsam mit dem LWL einen Themenwanderweg und die Präsentation einer Ausgrabung zur Geschichte der Verhüttung von Eisen im Siegerland entwickelt.

"Die aufwendige Aufbereitung der Ergebnisse in einem Themenwanderweg sowie die Darstellung der Ausgrabungsbefunde in einem Schutzbau sind bundesweit einzigartig und damit ein überregional herausragendes Projekt der Denkmalpädagogik", so Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. "Noch nie gelang es, derart komplexe archäologische Strukturen zu erhalten und attraktiv der Öffentlichkeit zu vermitteln", so der LWL-Chefarchäologe über den Projektabschluss.

Die größten Verhüttungsöfen Europas
Vor 2.000 Jahren wurde im Siegerland in den größten Verhüttungsöfen Europas Eisen gewonnen. Auf eine keltische Produktionsphase folgte knapp 1.000 Jahre später eine mittelalterliche, die mit viel ineffizienteren Öfen arbeitete. Dies sind zwei Ergebnisse jahrelanger archäologischer Forschungen im Tal des Gerhardsseifens. Archäolog:innen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, des LWL sowie der Ruhr-Universität Bochum gruben hier von 2007 bis 2012 in verschiedenen Kampagnen die archäologische Fundstelle aus.

Die Fundstelle umfasst eine Werkstatt von Köhlern des 17. Jahrhunderts, die eine hochmittelalterliche Verhüttungswerkstatt überlagert. Diese Werkstatt wurde wiederum auf einer mindestens 1.000 Jahre älteren keltenzeitlichen (eisenzeitlichen) Verhüttungswerkstatt errichtet. Die Überreste aus den insgesamt drei Zeiträumen waren derart gut erhalten, dass durch ihre Erforschung ein "immenser Erkenntnisgewinn" zur jeweiligen Betriebsorganisation und insgesamt zur Technikgeschichte erreicht werden konnte, so die Fachleute.

Die Strukturen der Eisenzeit fanden dabei internationale Beachtung in der Fachwelt, weil die Ausgrabungen gleich zwei nah beieinanderliegende Verhüttungsöfen samt weiteren Betriebseinrichtungen freilegten. "Die Ausgrabungen am Gerhardsseifen waren der Höhepunkt unserer archäologischen Forschungen zur keltischen Eisenproduktion im Siegerland", so Prof. Dr. Thomas Stöllner vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum. "Die Auswertung der Ausgrabungen ermöglichte uns erstmals die Produktionsmengen der Eisenzeit abzuschätzen. Allein am Gerhardsseifen muss über eine Tonne an Stahl hergestellt worden sein. Dass wir aus dem Grabungsplatz auch einen Ort des Wissenstransfers für die Öffentlichkeit machen, konnten wir bei den damals von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsarbeiten nicht ahnen. Es schön, dass dies nun gelungen ist", so der Projektleiter.

Besucherströme am Ausgrabungsort
Der Höhepunkt der archäologischen Ausgrabungen 2012 war zugleich ein Wendepunkt für den Fundplatz: "Regelrechte Besucherströme bestaunten die gut erhaltenen Befunde der Ausgrabung, und uns war klar, dass wir diese einzigartige Situation der Nachwelt erhalten und präsentieren müssen", so Steffen Mues, Bürgermeister der Stadt Siegen "Nirgendwo im Siegerland gab es für die Öffentlichkeit die Möglichkeit, eine originäre Ausgrabung mit bedeutenden Befunden zur Hüttengeschichte zu besuchen." Das große öffentliche Interesse mit dem Wunsch zum Erhalt und der Präsentation der Ausgrabung bewirkte, dass die Ausgrabung gestoppt und die gut erhaltenen Strukturen konserviert wurden.

Ein langer Prozess
Dann begann ein aufwändiger Prozess: Der Schulterschluss von Archäolog:innen mit Vertreter:innen der Politik von Kreis und Stadt und vielen Ehrenamtlichen führte 2013 zur Entwicklung eines Konservierungs- und Präsentationskonzeptes. Wichtiges nächstes Zwischenergebnis war 2018 die Gründung des Trägervereins "Ein Siegerländer Tal e.V.". Beteiligt waren die Heimatvereine Gosenbach, Niederschelden, Niederschelderhütte, Mudersbach und Brachbach, Vertreterinnen und Vertreter der Ortsgemeinde Mudersbach, des Heimatbundes Siegerland-Wittgenstein, aber auch engagierte Einzelpersonen.

Der Trägerverein wurde zum maßgeblichen Akteur und erreichte auch die finanzielle Förderung des Projektes, u.a.  durch die NRW-Stiftung und die heimische Wirtschaft. Zudem wirkten Mitglieder des Trägervereins zusammen mit der LWL-Archäologie an der Gestaltung der kulturtouristischen Präsentation der archäologischen Befunde mit, die nun in einem Schutzbau präsentiert werden. Da die archäologischen Befunde unzugänglich sind, werden sie den Besuchenden mittels einer Licht-Audioshow vorgestellt. Die Präsentation startet auf Tastendruck.

Die archäologische Ausgrabung im Schutzbau ist zudem in einem Themenwanderweg eingebettet: den "EisenZeitReiseWeg". Beginnend vom Parkplatz, nahe dem Sportplatz des SUS Niederschelden, führt er zum Schutzbau von der Gegenwart zurück bis in die Zeit der Kelten. Neben Info-Tafeln liefert die "Ofensau Frieda" Wissenswertes auch für kleine Besucher:innen.

Der Begriff "Ofensau" meint in der Fachsprache eigentlich den Schlackenklotz, der nach der Verhüttung im Ofen bleibt. In der Kinderspur wurde aber aus dem Fachbegriff eine lebenslustige Akteurin, die Kindern die Themen des Wanderweges auf ihre Interessen ausgerichtet vermittelt und dabei zum Mitmachen und Nachdenken anregt.

Parallel zur Realisierung des Schutzbaus und des Themenwanderweges legten die Forschungskooperationspartner die Ausgrabungsergebnisse in Buchform vor. Gefördert durch die LWL-Altertumskommission für Westfalen entstand darüber hinaus eine populärwissenschaftliche Broschüre zum Gerhardsseifen. Außerdem erläutert ein YouTube-Film des Deutschen Bergbau-Museums die Verhüttungstechnik der Eisenzeit anhand der Grabungen am Gerhardsseifen sowie auf Grundlage erfolgreicher archäologischer Experimente mit einem Nachbau des Verhüttungsofens.

Nach der offiziellen Einweihung des Schutzbaus samt Themenweg werden am 4. und 5. Mai Mitarbeitende des Trägervereins 'Ein Siegerländer Tal e.V.', des Deutschen Bergbau-Museums Bochum sowie des LWL Führungen für Interessierte anbieten.  Die Uhrzeiten für diese Führungen werden auf der Internetseite des Trägervereins noch veröffentlicht.

Internetseite: http://www.einsiegerlaendertal.de

© LWL-Pressestelle Münster

Zwei Archäologen graben im Jahr 2012 unter einem Zelt Reste mittelalterlicher und keltenzeitlicher Verhüttungsöfen aus, die zum Teil an der rötlichen Erdfarbe zu erkennen sind. © Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/D. Bachmann
Blick links auf die Standspuren der mittelalterlichen Verhüttungsöfen und rechts auf einen keltenzeitlichen Ofen während der archäologischen Ausgrabung 2012. © Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/D. Bachmann
Blick links auf die Standspuren der mittelalterlichen Verhüttungsöfen und rechts auf einen keltenzeitlichen Ofen während der archäologischen Ausgrabung 2012. © Foto: Deutsches Bergbau-Museum Bochum/D. Bachmann
Die Ausgrabungsfläche befindet sich unter einem flachen, modernen, Schutzbau aus Kortenstahl.
Der Schutzbau der Ausgrabungsfläche mit Kortenstahlwänden hebt sich einerseits bewusst von der Umgebung ab und nimmt mit den rostenden Stahlwänden Bezug zum Thema Eisen. Er bildet den Höhepunkt des EisenZeitReiseWegs, der hinter dem SUS-Gelände in Niederschelden beginnt. Der Weg führt die Besuchenden per Zeitreise von der Gegenwart bis in die Zeit der Kelten. © Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler
Der Schutzbau der Ausgrabungsfläche mit Kortenstahlwänden hebt sich einerseits bewusst von der Umgebung ab und nimmt mit den rostenden Stahlwänden Bezug zum Thema Eisen. Er bildet den Höhepunkt des EisenZeitReiseWegs, der hinter dem SUS-Gelände in Niederschelden beginnt. Der Weg führt die Besuchenden per Zeitreise von der Gegenwart bis in die Zeit der Kelten. © Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler
Grafik der sogenannten Ofensau in oranger Farbe auf schwarzem Hintergrund. Sie ist das Symbol des EisenZeitReiseWeges samt Schutzbau. Der Name kommt aus der Sprache der Hüttenleute und beschreibt den Schlackenklotz, der nach der Verhüttung im Ofen zurück bleibt.
Das Symbol des EisenZeitReiseWeges samt Schutzbau ist die 'Ofensau': Es handelt sich um einen stilisierten keltischen Eber, der Bezug auf die eisenzeitliche Werkstatt nimmt. Zugleich ist 'Ofensau' ein Fachbegriff in der Sprache der Hüttenleute und beschreibt den Schlackenklotz, der nach der Verhüttung im Ofen bleibt. © Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler
Das Symbol des EisenZeitReiseWeges samt Schutzbau ist die 'Ofensau': Es handelt sich um einen stilisierten keltischen Eber, der Bezug auf die eisenzeitliche Werkstatt nimmt. Zugleich ist 'Ofensau' ein Fachbegriff in der Sprache der Hüttenleute und beschreibt den Schlackenklotz, der nach der Verhüttung im Ofen bleibt. © Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Zeiler

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