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13.02.2024
Kategoriebezeichnung: News

Vegetationsgeschichte, Siedlungsgeschichte, Menschheitsgeschichte

Von der Pflanzenwelt, die den prähistorischen Menschen umgab, bis hin zu Zeugnissen der Schrecken des Zweiten Weltkrieges; von Schürfungen im ehrwürdigen Dom von Passau bis hin zu Ausgrabungen im neuen Fahrstreifen der Bundesautobahn A3: Elf Aufsätze füllen den 64. Bericht der bayerischen Bodendenkmalpflege mit neuen archäologischen Untersuchungen und Ergebnissen.

Pollenprofile sind ein geeignetes Mittel zur Erforschung der Vegetationsgeschichte. Sie werden in moorigen Flächen angelegt, wo sich dank der Feuchtigkeit Pollenreste erhalten haben, die sich hierzulande im günstigen Fall bis ins Mesolithikum zurückverfolgen lassen. Die Paläobotaniker beklagen allerdings den galoppierenden Schwund an Torfvorkommen, wo solche Untersuchungen überhaupt noch möglich sind. Das Forscherteam Philipp Stojakowits, Michael Peters und Arne Friedmann konnte im Landkreis Erding bei Bergham und im Viehlasmoos noch zwei Pollenprofile gewinnen und damit das Bild für die Münchner Schotterebene wesentlich vervollständigen, ehe diese Art von Archiven durch den Klimawandel vollständig verloren ist. 

Die folgenden drei Beiträge von Cordula Brand u. a. gehen auf den Autobahnausbau der A 3 zurück und stellen Befunde vor, die gerade noch vor der Baggerschaufel gerettet werden konnten. In einem ersten Aufsatz wird der gesamte Verfahrensablauf geschildert, der die 76 km Straßenbau zwischen den Kreuzen Biebelried und Fürth/Erlangen archäologisch begleitet hat. Zunächst wird die Fundlandschaft mit ihrer Topografie und Geologie vorgestellt. An 21 Stellen, die sich auf die Landkreise Kitzingen und Erlangen-Höchstadt verteilen, mussten archäologische Überreste dokumentiert werden. Überwiegend handelt es sich um Siedlungen und Gräber der Metallzeiten, ergänzt durch weniges aus Frühmittelalter und Neuzeit. Die Bodendenkmäler waren zuvor teils schon in die Denkmalliste eingetragen, teils aber noch unbekannt. Im Fall des sog. Kosbacher Altars ergab sich hingegen das ernüchternde Fazit, dass die bekannte Fundstelle mit verebneten Grabhügeln inzwischen völlig aberodiert und praktisch nicht mehr existent ist. 
Zwei umfangreichere Fundstellen, auf die man im Zuge des Autobahnbaus gestoßen ist, werden in eigenen Beiträgen behandelt. Es handelt sich um einen Siedlungsplatz der Ältesten Bandkeramik bei Mainstockheim und eine frühmittelalterliche Siedlung bei Hannberg. Am Fronberg bei Mainstockheim hatte man schon Kenntnis von der bandkeramischen Ansiedlung. Der Bodenabtrag brachte nun einen Siedlungsausschnitt mit diversen Gruben und einschlägigen meist keramischen Funden zutage, dabei auch eine Hockerbestattung. – In die Karolingerzeit gehört hingegen eine Hofstelle mit mehreren Pfostenbauten, die bei Hannberg aufgedeckt wurde. Es könnte sich auch gut um zwei Gehöfte handeln, also einen Ausschnitt aus einem frühen Dorf, das später im 11. Jahrhundert urkundlich als Streugut des Klosters Kitzingen fassbar wird.

Mehrere römische Fundplätze wurden mittels Geophysik prospektiert. So stellen Andreas Stele u. a. die Flächen um das Kastell Eining zusammen, auf denen im Lauf der Jahre Erkundungen stattgefunden haben. Selber tragen sie eine großflächige Magnetometermessung im Bereich des Ostvicus bei, die nun nahezu den kompletten Vicus östlich des Kastells kartiert und seine Baustruktur mit der Straßenführung deutlich erkennen lässt.

Kleinere Flächen an überbauten römischen Kastellorten haben gezielt Roland Linck u. a. ausgesucht, um Kartierungslücken zu schließen. Sowohl in Obernburg a. Main als auch in Weißenburg i. Bay. gab es innerorts noch freie Teilflächen, wo das Bodenradar eingesetzt werden konnte. Mit den Messungen gelang es, das Bild der nur ausschnitthaft bekannten römischen Bebauung zu vervollständigen bzw. alte Grabungspläne exakt zu verorten. 

Im römischen Vicus unweit des Kastells Böhming wurden in einem Neubaugebiet die Fundamente eines Steinbaus zu etwa zwei Dritteln ausgegraben und von Katrin und René Naumann bearbeitet. Das 5,30 m lange Bauwerk weist im Inneren symmetrisch angeordnete Stützpfeiler auf, wie man sie von Darren bzw. Räucherkammern kennt. Auch in Böhming spricht alles dafür, dass ein Wirtschaftsgebäude dieser Art vorliegt. Ausweislich der archäobotanischen Analysen aus Bodenproben (Barbara Zach) wurde hier aber nicht Getreide getrocknet, sondern in der Mehrzahl konnten Fischschuppen und krümelig verbrannte Reste von Räuchergut, möglicherweise Fetttropfen, festgestellt werden. Vielleicht hatte man hier einst Speck für den Winter haltbar gemacht.

Auch auf dem Passauer Domberg ruhen im Untergrund archäologische Überreste in großer Dichte. Insbesondere bei Umbaumaßnahmen am Dom sind immer wieder ausschnitthafte Einblicke möglich. Zwar handelt es sich meist um eher kleine Flächen, zusammen betrachtet ergeben diese aber dennoch ein auswertbares Gesamtbild (Thomas Maurer). Genauer beschrieben werden hier die Ausgrabungen 2018 im Haus St. Max (Alois Spieleder) und die Grabungen im Dom 2019–2022 (Ralph Hempelmann). Unter St. Max wurden wenige römische Befunde festgestellt, vor allem aber einige frühmittelalterliche Gräber und romanische Architekturteile des ehemaligen Cellariums. Im Dom selber stieß man in schmalen Leitungsgräben am Westabschluss ebenfalls auf einige Bestattungen meist des 11./12. Jahrhunderts, und auch die Turmfundamente des Westwerks wurden angetroffen.
Beschrieben wird zusätzlich ein bereits 1979 angelegter Schnitt innerhalb der Andreaskapelle, in dem nicht weniger als 25 Gräber zutage kamen (Helmut Bender). Diese dürften nach der Umwidmung der Andreaskapelle zu einer Begräbnisstätte der Domherren um 1300 eingebracht worden sein. Es bestätigt sich, dass die Nord- und Südmauer zur romanischen Bausubstanz zu rechnen ist, denn es wurden Gräber in deren Baugruben eingetieft.

Ein umfangreiches Projekt und eine große denkmalpflegerische Aufgabe waren die Bodeneingriffe am Marienhof in München anlässlich der Tiefbaumaßnahmen für die S-Bahn. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg war diese innerstädtische Fläche planiert und nicht mehr neu bebaut worden. Archäologische und bauforscherische Begleitung der Bauarbeiten erfolgten in den Jahren 1989–1990, 2002–2003 und 2011. Vorgelegt wird hier von Azer Araslı die Analyse der Bauforschung. Die angetroffenen Mauerreste wurden stratigrafisch eingeordnet, Baumaterial und Bauweise beschrieben und zugeordnet. Letztlich konnten nach vorliegenden historischen Plänen und archivalischen Unterlagen die Gebäudereste, Höfe und Gassen, Stadtmauer und Kanäle identifiziert werden, welche zum Teil bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen und im letzten Bauzustand 1945 noch vorhanden waren.

Eine interdisziplinäre Untersuchung, vorgelegt von Roland Linck, galt schließlich der Bausubstanz eines KZ-Außenlagers bei Landsberg am Lech. Eine Kombination an Prospektionsmethoden, nämlich Alliiertenluftbilder, Airborne Laserscanning, Bodenradar und Fotogrammetrie kam hier zum Einsatz. Die nicht mehr erhaltenen Baracken und Erdhütten lassen sich nun zuverlässig kartieren. Die somit gesichert dokumentierten Befunde können dadurch besser geschützt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sind für die Vermittlung an die Öffentlichkeit unverzichtbar.

Der Band schließt ab mit einer Übersicht der Grabungen und Fundplätzen 2022 in Bayern. Obwohl nur stichwortartig die wichtigsten Befunde genannt sind, füllt die Aufzählung 24 Seiten – man sieht daran das erhebliche Ausmaß an Flächenöffnungen und Erdbewegungen, die im Land stattgefunden haben.

DE

Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 64, 2023 (Selbstverlag des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, in Kommission bei Dr. Rudolf Habelt Verlag GmbH, Am Buchenhang 1, 53115 Bonn, Tel. 0228/92383-0, Fax 0228/92383-6, E-Mail: info@habelt.de, ISBN 3-7749-4418-3, 268 S., zahlreiche farbige Abb., 50,00 €; erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag)

Das Umschlagbild von "Bericht der bayerischen Bodendenkmalpflege 64, 2023" zeigt einen langen Grabungsschnitt mit Schneeresten darin. Links und rechts davon ist der Aushub zu Wällen aufgehäuft.
Bericht der bayerischen Bodendenkmalpflege 64, 2023
Bericht der bayerischen Bodendenkmalpflege 64, 2023

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